Sonntag, 27. September 2015

Probleme bei der Filesharing Diskussion (2010)

Vor kurzem wurde ich auf eine Diskussion zwischen Sascha Lobo und Marcel Weiß aufmerksam, bei der es um das nun bereits seit Jahren heiß diskutierte Thema "Filesharing und Musikindustrie" ging.

Ganz klar, die digitale Revolution erregt die Gemüter, sonst wäre es ja auch keine Revolution. :D

Die Musikindustrie ist in der Krise und die Schuldigen sind die sog. Raubkopierer von Musik und Verbreiter von gecrackter Software und was da so alles dazu gehört.

So oder ähnlich hört man es von vielen Seiten.

In der Diskussion von Sascha Lobo und Marcel Weiß wurden dazu aber auch einige interessante Facetten des Themas beleuchtet, die ich hier noch mal aufgreifen möchte:

1. Raubkopieren ist kein Diebstahl sondern unautorisierte Distribution (Verteilung / Verbreitung)

Richtig!

Diese Tatsache ist ein ungemein wichtiger Hinweis, den Marcel Weiß hier anbrachte.

Warum das so wichtig ist, erklärte er in seinem Artikel recht gut.

Allerdings kann man es noch deutlicher erklären wenn man aus der integralen Richtung a la Ken Wilber kommt.

Denn die digitale Revolution ist eine Revolution des Geistes und findet in der Noosphäre (Geist / virtuelle Welt) statt.

Einfach gesagt, bedeutet es "Die Gedanken sind frei" und so wie Gedanken frei sind, man kann sie nicht anfassen wie materielle physische Dinge, so sind die Entwicklungen in der digitalen Welt mehr und mehr vergeistigte Produkte und diese kann man nicht stehlen.

Sascha Lobo scheint dies überhaupt nicht zu verstehen, er vermutet hinter dieser Differenzierung zwischen physischer Welt und geistiger Welt stecke nur die Absicht, "Filesharing" schön zu reden. Damit hat er die Lage aber völlig falsch eingeschätzt was sich zudem an seinem letzten Statement in seinem Artikel in seinem skizzierten Schlußbild zeigt:

"Hier, in Berlin, gibt es eine große Anzahl von öffentlichen Blumenbeeten (ja, ich wähle ein
kitschiges Schlussbild, absichtlich). Sie sind wunderschön, und ich bin sicher, dass man
nichts zu befürchten hat, wenn man ein paar Blumen abreisst. Trotzdem sehen die
allermeisten Menschen ein, dass man besser Blumen im Laden nebenan kauft, anstatt sie
kostenlos abzurupfen. Ausser einer handvoll 15jähriger. Aber damit muss man leben. Kann
man auch."

Ob sein Beispiel kitschig ist oder nicht steht gar nicht zur Diskussion, nein es ist das Beispiel selbst welches völlig ungeeignet ist um als Beispiel zu dienen weil er in dem Beispiel von physischen Dingen spricht, nämlich Blumen etc.

Aber wenn wir über Filesharing sprechen, sprechen wir über nichtphysische Dinge, eben das Internet und was dazugehört. Dort klaut man nix weil dies gar nicht möglich ist sondern man kopiert maximal etwas.
Wenn ich eine Blume pflücke ist sie nicht mehr dort wo sie war. Wenn ich eine Datei kopiere, ist sie
selbstverständlich noch da. Eine Blume kann ich nicht einfach kopieren, eine Datei schon.

Zwischen der Physiosphäre und der Biosphäre im Vergleich zur Noosphäre liegen Welten. Eine eingehende Beschäftigung mit diesen Dingen würde in der Diskussion guttun.

Beide können nämlich am Ende keine Lösung anbieten auch wenn man sicherlich beiden den Willen dafür nicht absprechen möchte.

Doch während Sascha Lobo mehr beim Kritisieren blieb, sowohl Musikindustrie als auch der Filesharer sind in seinen Augen vereinfacht gesagt "Idioten" - verwies Marcel Weiß immerhin auf neue Geschäftsmodelle, die dafür sorgen sollen, das sich mit Dingen im Internet Geld verdienen läßt.

Aber das ist eigentlich nicht weit genug gedacht. Beide bleiben im alten System hängen und etwas
verwundert hat mich schon, das keiner der beiden die neuen Entwicklungen in der Gesellschaft mit
aufgenommen hat. Offensichtlich denken sie nicht groß genug.

Worauf ich hinauswill ist doch klar.

Die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens (kurz "BGE") ist genau die richtige
gesellschaftsstrukturelle Anpassung an die digitale Revolution! Technische Entwicklung muß mit der finanziellen als auch der moralischen Entwicklung einhergehen.

Was passiert nach der Einführung eines BGE in Bezug auf Filesharing:

Das wird legal!!!

All diejenigen, die heute noch als illegale Raubkopierer angesehen werden, können in Zukunft ganz offen und ohne Beschränkungen downloaden was und soviel sie wollen.
Das will das Internet, seine Struktur ist darauf angelegt und mit dem BGE können wir dies auch erlauben. In diesem neuen System wird die Noosphäre einen Sprung in Richtung mehr Freiheit ermöglichen.

Dann kann ein Künstler nämlich wirklich die Kunst machen, die er will.

Sascha Lobo scheint auch hier nicht wirklich klar zu machen, das es heute keine Alternative gibt, wenn ich Künstler bin, muß ich meine Kunst verkaufen können, ich habe nicht die Alternative zu sagen, ich mache Kunst und wenn ich möchte, verkaufe ich etwas aber ich muß es nicht.

So suggerieren es nämlich seine Worte:

"Freilich gilt meine Argumentation nur, wenn man wie ich glaubt, dass ein Musikstück
ein Kulturprodukt ist, das man als Künstler verkaufen können sollte..."
und
"...Aber Kulturarbeit erzeugt ein Kulturprodukt (in der Regel), das durch den
Kulturschaffenden oder seine Stellvertreter zum Zweck des Geldverdienes verkäuflich sein
sollte, wenn der Kulturschaffende es möchte..."

Hier wird einfach mal so unterstellt, das der Kulturschaffende sein Kulturprodukt verkaufen kann, wenn er es möchte - sprich eine Alternative hätte. Toll! Aber so ist die Realität der meisten Künstler ja nicht. Entweder sie machen Kunst um sie zu verkaufen und dann ist diese Kunst nicht unbedingt die Kunst, die sie wirklich machen wollen oder sie können den Job als Künstler an den Nagel hängen.

Jedenfalls in unserem jetzigen Wirtschafts- und Gesellschaftssystem kann man nur (über)leben wenn man Geld hat. Und dies bekommt man nur gegen Leistung.

Die virtuelle Welt aber erfordert keine große Leistung was die Verteilung angeht und so brauchen wir also auch für diese Welt ein neues Gesellschaftssystem.

Die Zukunft wird dahin gehen, das mit einem BGE Künstler auch Geld zusätzlich verdienen können, aber dies wird auf der Basis von Freiwilligkeit geschehen. Jeder, der sich ein Produkt eines Künstlers anschafft, gibt dem Künstler den Preis, den er bereit ist zu zahlen.

Das ist eine neue Form der Demokratie.

Bisher haben wir eigentlich eine Preisdiktatur. Jemand legt einfach fest, wieviel eine CD kostet oder irgendein anderes Produkt und der Kunde muß das zahlen. Das hat noch nicht viel mit Demokratie zu tun sondern ist aus den Zeiten, in denen es noch keine digitalen Artefakte gab.

Jetzt bzw. mit einem BGE aber wird die Mitbestimmung erst richtig gelebt. Ich als Kunde zahle den Preis, den mir ein Produkt wert ist und nicht anders. Und man kann davon ausgehen, das die Menschen zahlen werden.

Wenn das nicht so kommt, dann können wir auch diese neuen Freiheiten nicht geniessen. Es erfordert also von jedem auch eine gewisse Anstrengung aber der Preis dafür ist es wert.

von onlineredakteur @ 10.09.10 - 17:01:48

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