Sonntag, 27. September 2015

Der Untergang des Abendlandes - Fortsetzung Teil 6 (2011)

Heute ein kleiner poetischer Leckerbissen vom guten Oswald Spengler.

Diese poetische Ausdrucksweise ist meiner Meinung durchaus kein Zufall, ich glaube, das Spengler diese bildhafte Sprache sehr mochte und ich glaube auch, das er sich damit in der Tradition Goethes sah, den er sich ja als Vorbild nahm.

Nun aber das Zitat:

"Über diese Fläche hin aber ziehen die großen Kulturen ihre majestätischen Wellenkreise. Sie
tauchen plötzlich auf, verbreiten sich in prachtvollen Linien, glätten sich, verschwinden, und
der Spiegel der Flut liegt wieder einsam und schlafend da. S.143"

Das hat doch schon fast etwas von der Erkenntnis der absoluten LEERE, wie sie Wilber beschreibt.
Die Suche ist immer schon vorbei, und das ewige Spiel der Formen geht weiter als Gestik des
Göttlichen, und nicht Suche, sondern Ausdruck des GEISTES sind diese Bewegungen.S.694

Ken Wilber, Eros, Kosmos,Logos

Na, also wahrhaft weise gesprochen von Herrn Spengler. Auch das gelingt hin und wieder.
Und er beschreibt seine Sicht der Dinge im Text weiter mit:

"Eine Kultur wird in dem Augenblick geboren, wo eine große Seele aus dem urseelenhaften
Zustande ewig-kindlichen Menschentums erwacht, sich ablöst, eine Gestalt aus dem
Gestaltlosen, ein Begrenztes und Vergängliches aus dem Grenzenlosen und Verharrenden. Sie
erblüht auf dem Boden einer genau abgrenzbaren Landschaft, an die sie pflanzenhaft
gebunden bleibt. Eine Kultur stirbt, wenn diese Seele die volle Summe ihrer Möglichkeiten in
der Gestalt von Völkern, Sprachen, Glaubenslehren, Künsten, Staaten, Wissenschaften
verwirklicht hat und damit wieder ins Urseelentum zurückkehrt.S. 143"

Da sind da natürlich in der Tat Andeutungen an etwas, was man Leere bezeichnen kann, wenn Spengler vom Gestaltlosen spricht.

Andererseits ist es hoffnungslos ungenau, wenn er einfach eine Seele postuliert, die aus einem wiederum überhaupt nicht genauer beschriebenen urseelenhaften Zustand ewig-kindlichen Menschentums erwachen soll.

Was das genau sein, darüber schweigt der Autor. Und seine Kritiker werden hier fröhlich beginnen, das Werk zu zereissen.

In diesem Abschnitt bringt Spengler übrigens noch einen weiteren Begriff ins Spiel bzw. eine Denkweise, die er sich zu eigen machen will, nämlich die organische Entwicklung von der Kultur hin zur Zivilisation. Das klingt dann so:

"Jede Kultur steht in einer tiefsymbolischen und beinahe mystischen Beziehung zum
Ausgedehnten, zum Raume, in dem, durch den sie sich verwirklichen will. Ist das Ziel
erreicht und die Idee, die ganze Fülle innerer Möglichkeiten vollendet und nach außen hin
verwirklicht, so erstarrt die Kultur plötzlich, sie stirbt ab, ihr Blut gerinnt, ihre Kräfte brechen
- sie wird zur Zivilisation.S. 143"

Diese Bezeichnung 'Zivilisation' finde ich nun wieder sehr ungeschickt. Denn mehr oder weniger bekommt diese Bezeichnung eine eher abwertende Bedeutung, sprich das Leben ist das nicht mehr. Ich glaube, so eine Bedeutung hatte das Wort 'Zivilisation' eigentlich nie und Spenglers Theorie wird hier etwas schwach.

Und man beachte den Satz: "Jede Kultur...." - aha - hatte der Oswald nicht gesagt, das jede Kultur ihre eigenen Wahrheiten hat, woher will er dann wissen, das jede Kultur in einer tiefsymbolischen Beziehung zum Raume steht.

Man sieht hier die Problematik, die Spengler nicht lösen kann. Einerseits etwas universales postulieren und dann aber meinen es gebe keine Universalien. Den Widerspruch scheint er nicht bemerkt zu haben.

von onlineredakteur @ 20.09.11 - 21:39:49

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