Freitag, 25. September 2015

Kritisches zum Zeitgeist Artikel (2009)

In meinem Artikel "Mehr direkte Demokratie" habe ich einige interessante Ausführungen aus einem anderen Beitrag des Magazins Zeitgeist-Online.de entnommen.

Jetzt möchte ich dazu noch ein paar kritische Äußerungen hervorbringen.

Generell halte ich natürlich ein Mehr an Direkter Demokratie für wünschenswert.

Aber ich sehe auch gewisse Problemfelder, die man nur sehen kann, wenn man etwas von Bewußtseinsentwicklung a la Ken Wilber versteht.

Der Punkt ist, es fehlt dem Zeitgeist-Artikel an Tiefe, was die Entwicklung des Bewußtseins angeht.

D.h. das Volk, von dem hier ausgegangen wird stellt in diesem Artikel eine homogene Masse dar, die
irgendwie, (wie genau, das wird eben grad nicht dargestellt, bleibt sozusagen unbewußt) alle gleich sind.

Wahrscheinlich nimmt die Autorin ganz unbewußt ihren eigenen Entwicklungsgrad, der angesichts der durchaus beeindruckenden Detailfülle im Artikel, als relativ hoch anzusiedeln ist, als Maßstab für das Volk!

Doch das Volk ist natürlich nicht so homogen wie es die Autorin darstellt.

Das kann jeder schnell nachvollziehen, nicht jeder ist ein Doktor, ein Jurist oder ähnliches. Nicht jeder kann gut singen, malen, kochen etc.

Oder noch klarer wird es, sieht man sich die eigene Entwicklung an. Man konnte als Baby nicht schreiben, lesen oder sprechen. Alles entwickelte sich im Laufe der Zeit.

Es gibt also gewisse Hierarchien in der Entwicklung des Bewußtseins im Menschen.

Diese Hierarchien sind verschiedenen Ebenen des Bewußtseins, durch die derjenige die Welt mit den
entsprechenden Augen sieht.

Nach Ken Wilber und den von ihm herangezogenen Stand der Psychologie (Piaget, Kohlberg etc. pp)
vollzieht sich die Entwicklung des Bewußtseins nach folgenden vereinfachten Stufen:

1. Beige: Archaisch-instinktiv. Die Ebene des reinen Überlebens

Ungefähr 0,1% der erwachsenen Bevölkerung, 0% Macht

2. Purpur: Magisch-animistisch. Denken ist animistisch; magische Geister, gute und schlechte, die das
Geschehen vorherbestimmen, bevölkern die Erde und bringen Segen, Fluch und Zauber. Bildet ethnische Stämme.

10% der Bevölkerung, 1% der Macht

3. Rot: Machtgötter. Auch bekannt als Egozentrik. Erstes Auftauchen eines Selbst, das sich vom Stamm
unterscheidet. Machtvoll, impulsiv, egozentrisch, heroisch.

20% der Bevölkerung, 5% der Macht

4. Blau: Mythische Ordnung
Leben hat Bedeutung, Richtung und Sinn, mit Ergebnissen, die von einem allmächtigen Anderen oder einer allmächtigen Ordnung bestimmt werden. Diese rechtschaffene Ordnung setzt einen Verhaltenskodex durch, der auf absolutistischen und unveränderlichen Prinzipien von 'richtig' und 'falsch' basiert.

40% der Bevölkerung, 30% der Macht

5. Orange: Wissenschaftliche Leistung
In dieser Welle entkommt das Selbst der 'Herdenmentalität' des blauen Mems und sucht Wahrheit und Sinn in individualistischer und wissenschaftlicher Weise. Die Welt ist eine rationale und gut geölte Maschine mit Naturgesetzen, die für eigene Zwecke erlernt, beherrscht und manipuliert werden können.

30% der Bevölkerung, 50% der Macht

6. Grün: Das empfindsame Selbst. Gemeinschaftliche, menschliche Bindung, ökologische Sensibilität,
Netzwerke.
Der menschliche Geist muss von der Gier, dem Dogma un der Neigung sich abzusondern, befreit werden; Gefühle und Anteilnahme überlagern kalte Rationalität; Wertschätzung der Erde, von Gaia und des Lebens.

10% der Bevölkerung, 15% der Macht

Wichtig dabei ist, daß jede dieser Bewußtseinsebenen, JEDEM Menschen zur Verfügung steht, es ist nur die Frage, wie weit er sich entwickelt.

Klar machen sollte diese Differenzierung der Bevölkerung in verschiedenen Bewußtseinsmodi, daß das Volk eben keine homogene Masse ist.

Und DAS hat Auswirkungen auf die Forderung "Mehr direkte Demokratie".

Denn was Menschen wollen, das unterscheidet sich je nachdem auf welcher Ebene sie sind.
Wenn wir hier mal die Prozentzahlen anschauen, dann heißt das, daß mit 40 % der Anteil derjenigen, die sich bis zu einer blauen mythischen Weltsicht entwickelt haben, am größten ist. Was heißen würde, daß bei jedem Volksentscheid, der für alle ist, sich diese Bevölkerungsgruppe am ehesten durchsetzen würde.
Was wahrscheinlich kaum im Interesse höher liegender Bewußtseinsebenen sein kann, ganz konkret auch nicht im Interesse der Schreiberin des Artikels, die ich mindestens bei Orange wenn nicht sogar Grün sehe.
Zumal bei Orange der Schwerpunkt der Macht liegt, er würde fallen, wenn Blau sich durchsetzt.
Deshalb bin ich sehr skeptisch, wenn hier keine Unterscheidungen getroffen werden. Vielleicht muß man auch bei Volksentscheiden, die ich durchaus für wünschenswert halte, auch differenzieren, wie tief sie gehen, welche Konsequenzen sie haben um zu entscheiden, wer da mit entscheiden darf und wer vielleicht nicht.

Darauf habe ich jetzt im Moment noch keine Antwort aber es ist mir wichtig darauf hinzuweisen.

Diese mangelnde Differenzierung bzw. das Fehlen des Entwicklungsgedankens zeigt sich an einigen Punkten deutlich im Artikel:

Z.B. schreibt die Autorin:

Es ist auch kein Geheimnis, dass nicht das deutsche Volk sich nach dem Zweiten Weltkrieg
eine demokratische Verfassung gab, sondern dass diese von den Alliierten Siegermächten in
Auftrag gegeben und abgesegnet wurde. Den Deutschen wurde das Grundgesetz nie zur
Abstimmung vorgelegt. Vielleicht traute man ihnen damals ja noch nicht zu, abstimmen zu
können? Um die demokratische Legitimation der Volksvertreter war es in Deutschland
also von Anfang an nicht gut bestellt.

Die Frage, die sie stellt, nämlich ob, man den Deutschen es zutrauen können, das sie demokratisch
abstimmen, ist genau die Frage, die auf Entwicklung abzielt. Und ich meine, zur damaligen Zeit war es wohl die richtige Entscheidung, den Deutschen quasi vorzuschreiben, wie das Grundgesetz auszusehen hat.
Immerhin, Deutschland hatte einen Weltkrieg entfesselt, die Deutschen hatten sich so entschieden, nicht alle, aber der größte Teil und jetzt kurz nach Kriegsende davon auszugehen, daß alle nun gleich nach demokratischen Regeln handeln würden, halte ich für verwegen. Die Amerikaner und Briten waren in der Hinsicht einfach weiter entwickelt. Das muß man einfach so deutlich sagen.

Daraus aber dann zu schlußfolgern, daß die Legitimation der Volksvertreter von Anfang an nicht auf einer guten Basis stand, ist eben genau der Fehler, der aus dieser fehlenden Entwicklungsperspektive herrührt. Denn die Geschichte zeigt doch ganz deutlich, daß sich im westlichen Teil Deutschlands sich eine sehr offene, kritische Geisteshaltung entwickelte, insbesondere mit Beginn der 68-er Bewegung

Weiterhin nimmt die Autorin die Geschichte der Volksentscheide unter die Lupe und stellt fest, daß es gerade im Ostteil des Nachkriegsdeutschlands durch Kommunisten etc. diese Art der Volksbeteiligung vorangetrieben wurde.
Doch wie sie schon kurz andeutete, waren die Methoden nicht ganz lauter und das Resultat hat man ja später gesehen, die DDR wurde zu einer Diktatur der SED.

Insofern war auch hier die Entscheidung der West-Alliierten bzw. der BRD-Regierung besser, diese Art von Mitentscheidung zu stoppen, denn die Menschen waren noch nicht reif dafür.

Wenn ich also gut heiße, was damals war, heißt das nicht, das ich heute immer noch sage, das
Volksentscheide schlecht wären oder ähnliches. Auch hier spielt der Entwicklungsgedanke wieder eine Rolle, der der Autorin halt fehlt.

Die Menschen haben sich innerhalb der Demokratie im westlichen Teil Deutschlands zu einer demokratischen Ordnung hin entwickelt und heutzutage kann man davon ausgehen, daß das Volk für Volksentscheide und mehr Direktdemokratie reif ist.

Zu erwähnen bleibt noch, daß es ja durchaus schon Direktdemokratie-Elemente gibt, auf Kommunalebene, wie die Autorin das beschreibt. Und das halte ich so gar nicht mal für schlecht.

Es geht nicht im Umkehrschluß darum, jetzt den Politikern auf Bundesebene einen Freizettel auszustellen, aber es muß klar sein, daß Entscheidungen der Politik auf Bundesebene ALLE Bundesbürger betrifft, und da muß man schon unterscheiden ob man alle Bundesbürger direkt fragen sollte oder ob es nicht besser ist, denjenigen die Entscheidungsgewalt zu geben, die die Kompetenz dazu haben. Womit ich schon ein Stichwort gegeben habe, daß ich den heutigen Politikern auf Bundesebene weitestgehend die Kompetenz abspreche, um die Probleme des Landes zu lösen. Aber das löst man wahrscheinlich nicht allein durch mehr Direktdemokratie sondern zusätzlich durch mehr Auswahlverfahren und Qualifikationsstufen, die ein Politiker durchlaufen muß.

Das wird auch in dem Artikel deutlich, wenn festgestellt wird, daß ein Politiker heutzutage keine
Qualifikationen braucht, nicht mal eine Schulbildung wäre vonnöten. Das zeigt doch, wie qualitativ begrenzt heutige Politik sein kann.

Auf Kommunalebene kann man durchaus durch mehr Direktdemokratie unter Beteiligung der kompletten betroffenen Bevölkerung Personen- und Sachwahlen durchführen, die Auswirkungen würden dann aber nur die Kommunale Ebene betreffen und das kann bei Fehlentwicklungen die Auswirkungen begrenzen.

Soweit also dazu.
 

von onlineredakteur @ 30.09.09 - 10:55:30


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