Spengler
erkennt zurecht Unterschiede zwischen der Antike und Neuzeit in Bezug auf die
Art der Erkennung von
Wirklichkeit. Nur das seine Schlußfolgerungen daraus noch sehr problematisch
sind.
Aber ein
interessanter und auch bemerkenswerter Fakt, den Spengler gefunden hat, will
ich hier im Zitat noch mal
wiedergeben:
"Wie die
griechische Sprache kein Wort für den Raum besaß - wir werden die
gewaltige
Symbolik
solcher Sprachphänomene immer wieder verfolgen -, so fehlt dem Griechen auchunser Landschaftsgefühl, das Gefühl für Horizonte, Ausblicke, Fernen, Wolken, auch der
Begriff des Vaterlandes, das sich weithin erstreckt und eine große Nation umfaßt. Heimat ist
dem antiken Menschen, was er von der Burg seiner Vaterstadt aus übersehen kann, nicht
mehr. Was jenseits dieser optischen Grenze eines politischen Atoms lag, war fremd, war
sogar feindlich. Hier schon beginnt die Angst des antiken Daseins, und dies erklärt die
furchtbare Erbitterung, mit der diese winzigen Städte einander vernichteten. Die Polis ist die
kleinste aller denkbaren Staatsformen und ihre Politik die ausgesprochene Politik der Nähe,
sehr im Gegensatz zu unserer Kabinettsdiplomatie, der Politik des Grenzenlosen. Der antike
Tempel, mit einem Blick zu umfassen, ist der kleinste aller klassischen Bautypen. Die
Geometrie von Archytas bis auf Euklid beschäftigt sich - wie es die unter ihrem Eindruck
stehende Schulgeometrie noch heute tut - mit kleinen, handlichen Figuren und Körpern, und
so blieben ihr die Schwierigkeiten verborgen, welche bei der Zugrundelegung von Figuren
mit astronomischen Dimensionen auftauchen und die Anwendung der euklidischen
Geometrie nicht mehr überall gestatten. S. 113"
Im Grunde
ist die antike Beschreibung eine gute Beschreibung für das frühere Bewußtsein,
welches, so würde man es im
integralen Sprachgebrauch ausdrücken, auf einer egozentrischen bis hin zu
Formen eines ethnozentrischen
Bewußtseins basiert.
Während
die Beschreibung der Neuzeit, die bei Spengler manchmal wie hier mit grenzenlos
bezeichnet wird, eher auf
erste Formen eines weltzentrischen Bewußtseins schließen läßt.
Deshalb
ist es ungeschickt von Spengler, hier einen Gegensatz aufbauen zu wollen, da
die 'Politik der Nähe' und hier
die 'Politik des Grenzenlosen' - eben als würden sich diese beiden Politiken
irgendwie einfach flach gegenüberstehen.
Das ist aber nicht der Fall, stattdessen können wir sagen, das die Politik der
Nähe nach und nach
transzendiert wurde durch immer mehr Ausweitung und so wurde sie zu etwas was
wir heute eine Politik der Welt
nennen könnten. Auf jeden Fall ist es eine Weiterentwicklung. Das konnte damals
Spengler nicht sehen,
was aber auch daran lag, das er alles unter dieser radikalen
kulturrelativistischen Sichtweise interpretierte.
Dabei
schien er selber gar nicht zu bemerken wie er sich widersprach.
In obigen
Zitat schreibt er ja selbst, wie die einfache Geometrie der Antike auch noch
heute als
Schulgeometrie
gelehrt wird.Also ist sie auch ein Bestandteil unserer Kultur, nur eben ein sehr früher Bestandteil, oder besser ausgedrückt, dieses Wissen um die einfache Geometrie wird dem Menschen hier sehr früh in seinem Leben beigebracht. Und darauf bauen alle weiterführenden Geometrien, wie komplex sie auch sein mögen, auf. Die frühe Geometrie ist also kein Gegensatz sondern eine frühe Form der Geometrie, die in der Neuzeit, durch die Entwicklung des Bewußtseins, weiterentwickelt wurde.
von onlineredakteur @ 16.09.11 - 21:06:53
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