Sonntag, 27. September 2015

Der Untergang des Abendlandes - Fortsetzung Teil 5 (2011)

Hallo, und weiter im Text...

Spengler erkennt zurecht Unterschiede zwischen der Antike und Neuzeit in Bezug auf die Art der Erkennung von Wirklichkeit. Nur das seine Schlußfolgerungen daraus noch sehr problematisch sind.

Aber ein interessanter und auch bemerkenswerter Fakt, den Spengler gefunden hat, will ich hier im Zitat noch mal wiedergeben:

 
"Wie die griechische Sprache kein Wort für den Raum besaß - wir werden die gewaltige
Symbolik solcher Sprachphänomene immer wieder verfolgen -, so fehlt dem Griechen auch
unser Landschaftsgefühl, das Gefühl für Horizonte, Ausblicke, Fernen, Wolken, auch der
Begriff des Vaterlandes, das sich weithin erstreckt und eine große Nation umfaßt. Heimat ist
dem antiken Menschen, was er von der Burg seiner Vaterstadt aus übersehen kann, nicht
mehr. Was jenseits dieser optischen Grenze eines politischen Atoms lag, war fremd, war
sogar feindlich. Hier schon beginnt die Angst des antiken Daseins, und dies erklärt die
furchtbare Erbitterung, mit der diese winzigen Städte einander vernichteten. Die Polis ist die
kleinste aller denkbaren Staatsformen und ihre Politik die ausgesprochene Politik der Nähe,
sehr im Gegensatz zu unserer Kabinettsdiplomatie, der Politik des Grenzenlosen. Der antike
Tempel, mit einem Blick zu umfassen, ist der kleinste aller klassischen Bautypen. Die
Geometrie von Archytas bis auf Euklid beschäftigt sich - wie es die unter ihrem Eindruck
stehende Schulgeometrie noch heute tut - mit kleinen, handlichen Figuren und Körpern, und
so blieben ihr die Schwierigkeiten verborgen, welche bei der Zugrundelegung von Figuren
mit astronomischen Dimensionen auftauchen und die Anwendung der euklidischen
Geometrie nicht mehr überall gestatten. S. 113"

 
Im Grunde ist die antike Beschreibung eine gute Beschreibung für das frühere Bewußtsein, welches, so würde man es im integralen Sprachgebrauch ausdrücken, auf einer egozentrischen bis hin zu Formen eines ethnozentrischen Bewußtseins basiert.

Während die Beschreibung der Neuzeit, die bei Spengler manchmal wie hier mit grenzenlos bezeichnet wird, eher auf erste Formen eines weltzentrischen Bewußtseins schließen läßt.

Deshalb ist es ungeschickt von Spengler, hier einen Gegensatz aufbauen zu wollen, da die 'Politik der Nähe' und hier die 'Politik des Grenzenlosen' - eben als würden sich diese beiden Politiken irgendwie einfach flach gegenüberstehen. Das ist aber nicht der Fall, stattdessen können wir sagen, das die Politik der Nähe nach und nach transzendiert wurde durch immer mehr Ausweitung und so wurde sie zu etwas was wir heute eine Politik der Welt nennen könnten. Auf jeden Fall ist es eine Weiterentwicklung. Das konnte damals Spengler nicht sehen, was aber auch daran lag, das er alles unter dieser radikalen kulturrelativistischen Sichtweise interpretierte.

Dabei schien er selber gar nicht zu bemerken wie er sich widersprach.

In obigen Zitat schreibt er ja selbst, wie die einfache Geometrie der Antike auch noch heute als
Schulgeometrie gelehrt wird.
Also ist sie auch ein Bestandteil unserer Kultur, nur eben ein sehr früher Bestandteil, oder besser ausgedrückt, dieses Wissen um die einfache Geometrie wird dem Menschen hier sehr früh in seinem Leben beigebracht. Und darauf bauen alle weiterführenden Geometrien, wie komplex sie auch sein mögen, auf. Die frühe Geometrie ist also kein Gegensatz sondern eine frühe Form der Geometrie, die in der Neuzeit, durch die Entwicklung des Bewußtseins, weiterentwickelt wurde.

von onlineredakteur @ 16.09.11 - 21:06:53

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