Sonntag, 27. September 2015

Der Untergang des Abendlandes - Fortsetzung Teil 15 (2011)

So, heute kommt eins der zentralen Aussagen von Spengler in einem Zitat. Hier wird seine Weltsicht deutlich, seine Absicht.

"Stile folgen nicht aufeinander wie Wellen und Pulsschläge. Mit der Persönlichkeit einzelner
Künstler, ihrem Willen und Bewußtsein haben sie nichts zu schaffen. Im Gegenteil, der Stil
ist es, welcher den Typus des Künstlers schafft. Der Stil ist wie die Kultur ein Urphänomen
im strengsten Sinne Goethes, sei es der Stil von Künsten, Religionen, Gedanken oder der Stil
des Lebens selbst. So gut "Natur" ein immer neues Erlebnis des wachen Menschen ist, als
sein alter ego und Spiegelbild in der Umwelt, so der Stil. Deshalb kann es im historischen
Gesamtbilde einer Kultur nur einen, den Stil dieser Kultur, geben. Es war falsch, bloße
Stilphasen wie Romanik, Gotik, Barock, Rokoko, Empire als eigene Stile zu unterscheiden
und mit Einheiten von ganz anderem Range wie dem ägyptischen, chinesischen Stil oder gar
einem "prähistorischen Stil" gleichzusetzen. Gotik und Barock: das ist Jugend und Alter
desselben Inbegriffs von Formen, der reifende und der gereifte Stil des Abendlandes. Es fehlt
unserer Kunstforschung in diesem Punkte an Distanz, an der Unbefangenheit des Blickes und
dem guten Willen zur Abstraktion. Man hat es sich bequem gemacht und alle stark
empfundenen Formgebiete unterschiedslos als "Stile" aufgereiht. Daß auch hier das Schema
Altertum-Mittelalter-Neuzeit den Blick verwirrte, braucht kaum erwähnt zu werden. In der
Tat steht selbst ein Meisterwerk der strengsten Renaissance wie der Hof des Palazzo Farnese
der Vorhalle von St. Patroklus in Soest, dem Innern des Magdeburger Doms und den
Treppenhäusern süddeutscher Schlösser des 18. Jahrhunderts unendlich viel näher als dem
Tempel von Pästum oder dem Erechtheion. S. 265f."

Spengler gibt sich viel Mühe, seine Sichtweise zu untermauern aber ich glaube, er hat wie so häufig das Kind mit dem Bade ausgeschüttet.

Die bereits entwickelte Sichtweise von Altertum-Mittelalter-Neuzeit muß gar nicht im Widerspruch zu seinen eigenen Ansichten stehen. Nämlich wenn Spengler erkannt hätte, das es so etwas wie Entwicklung gibt, von einem Zeitalter zum nächsten.

Da Spengler aber nur eine horizontale Entwicklung sah, nämlich die von Geburt-Kindheit-Jugend-Alter und keine vertikale im Sinne von immer umfassender, immer bewußter werdend, lehnte er diese Betrachtung der Entwicklung jedweden Phänomens, sei es nun Architektur, Wirtschaft, Mathematik mit der Angabe von Altertum-Mittelalter-Neuzeit ab.

Das läßt dann die Frage offen, ja was ist denn der Stil, wie kann er in der Lage sein, Künstler zu beeinflussen und nur so und nicht in die andere Richtung.

Das ist natürlich nicht haltbar, statt nur eine Richtung zu sehen, muß man zwei Richtungen sehen. Der Künstler beeinflusst den Stil und der Stil, das Zeitalter in dem er lebt beeinflußt ihn. Es sind zwei Prozesse zur gleichen Zeit, die da stattfinden.

Spengler kann nirgendwo auch nur ansatzweise aufzeigen, wo denn nun sein Stil, oder die Kultur herkommt, die da als Urphänomen so auftaucht und den Menschen beeinflussen soll.

Selbstverständlich tut sie das aber in ständiger Wechselwirkung mit den Menschen, die die Kultur ja erst hervorbringen.

von onlineredakteur @ 24.10.11 - 21:04:31

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