"Der Wert,
welchen die Kunstwissenschaft von jeher auf eine zeitlose begriffliche
Abgrenzung
der
einzelnen Kunstgebiete gelegt hat, beweist lediglich, daß man in die Tiefe des
Problemsnicht eingedrungen ist. Künste sind Lebenseinheiten, und Lebendiges läßt sich nicht
zerstückeln. Nach den alleräußerlichsten Kunstmitteln und Techniken das unendliche Gebiet
in vermeintlich ewige Einzelstücke - mit unwandelbaren Formprinzipien! - zu zerlegen, das
war immer der erste Schritt gelehrter Pedanten. Man trennte "Musik" und "Malerei", "Musik"
und "Drama", "Malerei" und "Plastik", dann definierte man "die" Malerei, "die" Plastik, "die"
Tragödie. Aber die technische Formensprache ist nicht viel mehr als die Maske des
eigentlichen Werkes. Stil ist nicht, wie der flache Semper - ein echter Zeitgenosse Darwins
und des Materialismus - meinte, das Produkt von Material, Technik und Zweck. Er ist im
Gegenteil das, was dem Kunstverstand gar nicht zugänglich ist, die Offenbarung von etwas
Metaphysischem, ein geheimnisvolles Müssen, ein Schicksal. Er hat mit den materiellen
Grenzen der Einzelkünste nicht das geringste zu schaffen.
Eine Einteilung der Künste nach den Bedingungen der Sinnenwirkung an die Spitze stellen,
heißt also, das Problem der Form von vornherein verderben. S.284"
Spenglers
Ansinnen ist zwar klar, er sieht Kunst als das Ergriffensein des Menschen von
etwas, das er selbst nicht
erklären kann. In der Ethnologie gab es immer das schöne Bild von Roß und
Reiter. Der Mensch ist nicht der
Reiter sondern das Roß, der Reiter, das ist die große Unbekannte, in der
Ethnologie war das bei dem Betrachtungsgegenstand
von schriftlosen Kulturen meistens eine Gottheit. Der Ergriffene ist nicht mehr
er selbst
sondern durch ihn spricht ein Geist, ein spirituelles Wesen oder ähnliches.
Diese Ergriffenheit zeigte sich im
Ritual und sonstigen Zeremonien.
Ich
glaube, das dies Spengler mehr oder weniger intendiert hatte aber er kann das
Problem, welches solchen Aussagen,
das irgendwas Metaphysisches Einfluss auf den Menschen nimmt, nicht
zufriedenstellend klären.
Schon die
Frage, wie er selbst denn zu dieser Erkenntniss gekommen ist, wenn es dem
Verstand gar nicht zugänglich
ist, das bleibt als Problem völlig unerkannt.
Es spielt
ja jetzt keine Rolle ob ich von Musik, Malerei oder Plastik spreche oder von
jemand, der ein Buch über das
Werden und Vergehen von Kulturen schreibt. Auch das geschieht ja nicht
kontextlos sondern innerhalb
einer bestimmten Zeitepoche. Die Thematik hatte ich schon in den ersten
Beiträgen erwähnt.
Ebenso
wie Ergriffenheit auch beim Schreiben eine Rolle spielt weil ja die Lösung für
ein geistiges Problem ebenso
als ein Geschenk, etwas was vom Himmel kommt, empfunden wird.
Prinzipiell
ist es schlecht, wenn man etwas Metaphysisches postuliert. Mit dem Aufkommen
der Postmoderne wurden
solche Konstrukte schnell als Herrschaftskonstrukte abgestraft.
Insofern
hat Spengler hier keine Chance als Autor ernst genommen zu werden. Aber man muß
halt die Zeit berücksichtigen.
Zu seiner Zeit war diese Problematik noch nicht ins Bewußtsein der Wissenschaft
gerückt.
Und dann
natürlich braucht Spengler nicht das Kinde mit dem Bad ausschütten.
Selbstverständlich ist die Einteilung
in verschiedene Kunstformen sinnvoll, und dennoch kann auch Spengler's Idee des
Vergleichs der jugendlichen
Malerei im Abendland mit der jugendlichen Malerei im antiken Griechenland
richtig sein. Wenn es diese
Einteilung in verschiedene Kunstformen nicht gäbe, dann hätte sie Spengler auch
gar nicht erst für sein eigenes Werk verwenden können.
Damit
soll es erst einmal genug für heute sein.
von onlineredakteur @ 25.10.11 - 17:11:35
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