Sonntag, 7. Februar 2016

Die Gefahr der Spaltung des Landes - Ein Vortrag von Hans-Joachim Maaz

Durch einen Hinweis eines Bekannten in einem E-Mail-Verteiler bin ich auf die Veranstaltung hingewiesen worden. Zwar war die Veranstaltung bereits Vergangenheit aber dank digitaler Medien ist der Vortrag online noch weiterhin verfügbar und ich war sehr gespannt.

Denn es ging um Hans-Joachim Maaz, einem praktizierendem Psychiater und Psychoanalytiker, dessen Name mir schon vor einigen Jahren mal begegnete als mich jemand auf das Buch "Der Lilith-Komplex" von ebenjenem Autor aufmerksam machte. Das Buch hab ich zwar bis heute nicht gelesen aber es ist nach wie vor nicht von der Bildfläche verschwunden. Irgendwann hole ich das nach...

Hans-Joachim Maaz hielt also am 03.02. 2016 einen Vortrag an der Volkshochschule Leipzig zu dem Thema: "Die Gefahr der Spaltung des Landes - Psychodynamik von Protest und Gegenprotest"

Hier kann man sich den Referent im Original anhören: Vortrag Maaz VHS Leipzig 03.02.2016

Ja, das Thema ist natürlich den aktuellen Ereignissen in dieser, unserer Gesellschaft geschuldet, der Flüchtlingskrise und dem ganzen drumherum wie AFD und Pegida-Demos usw.
Und ich bin persönlich immer sehr interessiert an Erklärungen, die auf psychologischen Erkenntnissen beruhen, da ich die Erforschung der eigenen Psyche als auch solche Phänomene wie kollektive Psyche für sehr spannend halte.

Insofern war ich froh, dass ich mir diesen Vortrag online noch mal anschauen konnte, denn wenn ich es gewußt hätte, dann wäre ich sicher auch live zur Veranstaltung gegangen.

Hier nun mein Fazit zum Vortrag von Hans-Joachim Maaz:

Er lässt am Ende doch einigen starken Tobak raus, das gefiel mir sehr gut, ich kann auch sagen, das ich dem zustimmen möchte.
Als da wären: Die Aussage "Wir schaffen das" hält er für Größenwahn!!! Eine Art Kompensation, die auf narzisstischen Annahmen beruht. Ich komme gleich noch mal drauf zurück.
Desweiteren die Aussage: "die Willkommenskultur ist Ausdruck einer Störung, einer Neurose"!!!! - Wenn ich das hier so unvermittelt hinschreibe, kann man natürlich den Argumentationsstrang, den Maaz vornahm, nicht erkennen, ich versuche es mit den mir zur Verfügung stehenden Worten zu erklären.
Aber noch einer der Kernaussagen zum Schluß: "Der Islam gehört nicht zu Deutschland!"!!!

Na, das sind doch mal ganz schön harte Brocken, die er da dem Publikum vorsetzt. Wohlgemerkt tat er dies am Ende seiner Argumentation, ich habe dies nun an den Anfang gestellt um das Wichtigste seiner Erkenntnisse erst einmal herauszuarbeiten.

Wie kommt Maaz zu diesen Einschätzungen?

Für Maaz ist die Gesellschaft gestört, psychologisch, wie er es nun mal als ausgebildeter Psychologe wahrnimmt.
Die deutsche Gesellschaft hatte drei große Störungen in der jüngeren Geschichte: Nazideutschland, DDR-Sozialismus und Narzisstische Gesellschaft. Letzteres wäre der aktuelle Störungsprozess wobei er leider hier nicht genauer drauf eingeht, was er mit narzisstischer Gesellschaft meint. Ein Blick auf die Rezension auf eines seiner Bücher "Die narzisstische Gesellschaft" auf Amazon schafft da ein wenig Klarheit. Eine gestörte Mutter-Kind-Beziehung steht hier im Vordergrund der Störung.

Gestörte Gesellschaften funktionieren nur insoweit als das sich die Gestörten gegenseitig durch Projektion, Spaltung und/oder Kompensation disqualifzieren bzw. ermächtigen. Eine der Schwachpunkte in der Argumentation von Maaz wie ich finde, aber dazu später vielleicht mal mehr.

Jedenfalls meint Maaz, solange es hier ein irgendwie halbwegs hergestelltes Gleichgewicht zwischen den Kräften existiert, so lange kann die gestörte Gesellschaft auch den Konflikt verdrängen, nach außen projizieren und sich nicht damit beschäftigen. 
Also beispielsweise war nach Maaz nach dem Krieg eine Art der Kompensation der Leitsatz "Wohlstand für alle" hier sicher auch bezogen auf Westdeutschland. Solange die Wirtschaft wuchs und der kleine Mann etwas von diesem Wohlstand abbekam, solange war der Leitsatz gültig und nicht in Frage gestellt. Nach außen hin war man im Wettbewerb mit den sozialistischen Ländern, die es als Feinde zu betrachten galt.
Maaz glaubt auch, dass dieser Drang nach mehr Wachstum ein Ausdruck einer Störung ist. Eine Wachstumgsgesellschaft sei eine kranke Gesellschaft, wie er sagte.
Diese Kompensation "Wohlstand für alle" ist jedenfalls nicht mehr gültig in unserer heutigen Zeit. Womit er bezug nimmt auf die immer größere Ungleichverteilung von Arm und Reich usw.

Die Flüchtlingsproblematik ist in diesem Kontext nur ein Symptom der darunterliegenden Gestörtheit der Gesellschaft. Ein Symptom, das aber weltweit auftritt und an keiner Grenze halt macht.
Die pathologischen Folgen unseres Wohlstands sind einerseits in die Zukunft verschoben als auch in die anderen Regionen der Welt auf deren Kosten wir leben.

Wie geht die Gesellschaft nun mit diesem Problem um aus psychologischer Sicht und hier gelangen wir zu dem Thema des Vortrages, nämlich der Gefahr der Spaltung des Landes.
Maaz führt dazu den Begriff der Normopathie ein. Normopathie ist nichts anderes als, dass es eine Gleichschaltung der Meinungen gibt. Niemand sagt mehr etwas gegen die öffentliche Meinung (=Norm) aus Angst gemobbt zu werden. Political Correctness ist ein anderer Begriff dafür und er bedeutet, das es bestimmte Ansichten gibt, die man nicht öffentlich äußern darf ohne dafür an den Pranger gestellt zu werden, ohne dafür mit gesellschaftliche Ausgrenzung rechnen zu müssen. Das alte Märchen von des Kaisers neue Kleider wird hier gern als Beispiel angeführt.
Und diesen Prozess sieht Maaz derzeit in der Gesellschaft am Wirken. Gibt es Gegenstimmen werden diese sofort gebrandmarkt. Besonders die Politiker sind da auffällig anfällig für eine Art von Konversation, die den Gegenüber entmündigt. Der Diskurs mit dem Bösen wird verweigert. ("Mit denen reden wir nicht...")
Auch die Protest- und Antiprotestbewegungen zwischen Legida und No-Legida sind hier Ausdruck dieser Normopathie. Ein Miteinander ist hier nicht möglich.

Außerdem findet eine klare Spaltung in die Guten und die Bösen statt: Die Guten, das sind die Flüchtlinge und die Helfer im Gegensatz dazu die Bösen, das sind sämtliche Kritiker und Ausländerfeindlichen Äußerungen.

Doch für Maaz sind diese Streitigkeiten nur Streitereien auf der Symptom-Ebene, die wirkliche Ursache des Problems wird nicht angegangen.

Und so kommt er zu den Schlüssen, wie ich sie oben schon angeführt hatte: Die Willkommenskultur ist eine Störung, eine Neurose weil sie bagatellisiert die Probleme, die durch die anstehende Integration von Flüchtlingen auf uns zu kommt. Nur Tee und Luftballons den ankommenden Flüchtlingen zu reichen, reicht eben auf Dauer nicht.
Hinzu kommt ein wichtiger Punkt, den ich übrigens auch völlig teile, nämlich, dass die Flüchtlinge aus problematischen Kulturkreisen kommen. So wie Maaz meint, sei der Islam nicht eine Religion wie jede andere. Das ist in der Tat richtig, aber in der Kürze wirkt es auch verkürzt. Man müsste dies schon noch etwas tiefer angehen und begründen. Deshalb sind diese Äußerungen von Maaz auch nicht so ungefährlich, da sie im Sog rechtsradikaler Gesinnung sofort einen Flächenbrand entzünden können.
Aber prinzipiell gebe ich Maaz recht, es muß eine intensive Beschäftigung mit der islamischen Kultur und Gesellschaft stattfinden wenn man wissen will, wer da zu uns kommt. Das vermisst man sehr häufig in der naiven Willkommenskultur.

Ergänzend noch ein Artikel, den ich schon 2010 mal postete, auch hier wird über die Veränderung der Gesellschaft, vor allem der Verrohung der Mittelschicht, berichtet. Vor dem Hintergrund des eben gesagten wirkt das doch erstaunlich bestätigend. Es ist ein Prozess der Verrohung der gesamten Gesellschaft in Gange. Hier allerdings gesehen als ein Ausdruck der einseitigen Ökonomisierung aller Lebensbereiche.

Soweit dazu.
Hier noch ein paar Kritikpunkte an Maaz.
Wie ich schon oben andeutete, ein Bild einer Gesellschaft zu zeichnen, welches nur aus Gestörten besteht ist doch etwas zu dick aufgetragen. Das kann so nicht stimmen. Zumal, wenn man meint, dass daraus irgendetwas sinnvolles entstehen soll.
Was Maaz hier vernachlässigt, ist der Prozessgedanke. Also ganz einfach erklärt, ich habe eine neue Maschine, egal was es jetzt ist, sie funktioniert. Irgendwann und das ist der normale Lauf der Welt verschleißt diese Maschine, also brauch ich eine neue oder muß reparieren. Und dieser Reparaturaspekt, das ist der Aspekt, auf den Maaz sich bei seiner Beschreibung von kranken bzw. gestörten Gesellschaften bezieht. D.h. aber nicht, dass die Gesellschaft von Anfang an nur von Gestörten umgeben ist. Wie kann dann etwas gesundes entstehen. Die 68-er Bewegung, die Grünen, die Verbesserung der Frauenrechte und es gäbe der Beispiele mehr?

Ein anderer Punkt, der hier bisher keine Beachtung fand, ist, dass Maaz glaubt, dass das Unbewußte die allbestimmende Machtzentrale ist. Eine irrationale Machtzentrale auf der der rationale Verstand nur aufbaut und dessen Spitze des Eisberges ist. Auch das halte ich für ein nicht zureichendes Modell der menschlichen Psyche. Zumal er ja dann selber bei jeder Erklärung von gesellschaftlichen Verhältnissen in den Zwiespalt kommt, weil wenn er es rational erklärt, ist es keine tiefgehende Erklärung weil es ja das Unbewußte nicht mit einbezieht. Einbeziehen kann ich es aber nicht, weil es nicht erklärbar ist. Also hier ist meiner Meinung nach auch nachzubessern. Ich glaube, dass es sehr wohl einen Prozess der Erkenntnis gibt, der dazu da ist, genau dieses Unbewußte bewußt zu machen um eben dann freier zu sein.
In diesem Zusammenhang gab Maaz eigentlich selber ein schönes Stichwort: innere Demokratisierung.
Innere Demokratisierung verstand er als die Erkenntnis über sich selbst, über seine eigenen Stärken und Schwächen. Genau das ist ja eine Bewußtwerdung dessen, was vorher unbewußt darniederlag und mit Abwehrmechanismen wie Projektion nach außen getragen wurde.
Das diese innere Demokratisierung an den Wendepunkten der gesellschaftlichen Entwicklung in Deutschland nicht immer stattgefunden hat, das kann man gut nachvollziehen. Stichwort Wendehälse.

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