Mittwoch, 27. Januar 2016

Radikal dank Facebook

Ein interessanter Artikel weil er auf ein interessantes Phänomen in der digitalen Welt und dessen Informationsgewinnung und Verarbeitung durch User hinweist erschien gestern auf Spiegel-Online:
 
 
Ausgehend von der Tatsache, dass Informationen auf Facebook so gefiltert werden, dass der User im Grunde solche Informationen eher sieht als andere, die seinen Interessen und darunter fallen auch politische Ansichten, mehr entsprechen als andere, wird geschlussfolgert, das ein Grund für die derzeitige Aufheizung des gesellschaftlichen Klimas, bedingt durch die Krisen unserer Zeit, aktuell Flüchtlingskrise, aber auch Eurokrise usw. darin liegen, dass User auf Facebook die dort erhältlichen Informationen so empfangen und verarbeiten, das sie sein Weltbild verfestigen und zementieren. Und da Facebook über keine Überwachungsstandards verfügt, die von vornherein Nachrichten filtert nach journalistischen Qualitätsmerkmalen, also z.B. nur solche Artikel für die Öffentlichkeit zulässt, die auch mit Fakten und Zahlen belegbar sind, ist Facebook ein willkommener Ort für alle möglichen Theorien und Gedankengebäude, die nicht selten abgleiten in radikale Ansichten über Politik, Journalismus und Wissenschaft.
 
Zunächst ist positiv zu bewerten, das man sich bewusst ist, dass Facebook durch seine für den Normal-User nicht einsehbaren Algorithmen, eine bestimmte öffentliche Meinung generiert, die, wenn sie oft genug wiederholt wird an einer selbst suggerierten Wirklichkeit zunimmt.
Ich selber bin z.B. sehr an der Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens (kurz BGE) interessiert, habe entsprechende Seiten und Freunde, die sich ebenfalls dafür stark machen. In der Folge passiert es nun, dass ich sehr viele POSITIVE Meinungen über das BGE über Facebook erhalte. Verfestigt sich dies zu einem kontinuierlichem Strom kann man selbst schnell zu der Überzeugung gelangen, das BGE sei bereits in der Gesellschaft willkommen und es würde kurz vor der Einführung stehen. Gegenläufige Meinungen zum BGE kommen eher selten über Facebook bei mir an. Doch würde genau das ein breiteres Spektrum der Wirklichkeit offerieren und den Geist wacher halten, dass es keineswegs so vollkommen positiv und wohlbesetzt in der Gesellschaft angenommen wird, wie man es selbst wahrnimmt. Solange man sich darüber bewußt ist, kann man damit leben.
 
Und hier kommen wir zu dem Punkt, den ich im Artikel etwas kritisieren würde:
 
Und zwar nennt der Autor drei Gründe für das wahrnehmen einer neuen Hass- und Gewaltkultur:
 
Die erste erscheint ziemlich unwahrscheinlich: All die Menschen, die sich plötzlich so ängstlich bis brutal über Flüchtlinge äußern, haben selbst schon schlimme Erfahrungen mit Migranten gemacht.

Die zweite geht ungefähr so: Es gab schon immer so viel rechtes Potenzial, ausländerfeindliches Ressentiment, so viel Aggression und Dummheit in der deutschen Bevölkerung - aber jetzt wird all das, Facebook sei Dank, erstmals für alle sichtbar.

Die dritte mögliche Erklärung ist komplizierter und weit beunruhigender. In Kurzform lautet sie so: Es erscheint nicht nur so, als ob derzeit immer mehr Menschen immer radikalere Positionen vertreten - es ist tatsächlich so. Das Netz radikalisiert manche Menschen.
Mal abgesehen davon, das jetzt nicht ganz klar ist, warum gerade diese drei Gründe wesentlich sein sollen, ich aber damit erst mal leben kann, und wie der Autor auch, den ersten Grund für sehr unwahrscheinlich halte, finde ich, das die zwei anderen Gründe sich nicht als zwei verschiedene Gründe, die sich gegenseitig ausschließen lassen würden, betrachte, sondern dass ich meine, das der zweite Grund gemeinsam mit dem dritten Grund dieses Phänomen ermöglicht.
 
Der zweite Grund ist eigentlich der Grund, der den meisten wahrscheinlich nicht bewusst ist. Ich aber mit dem integralen Hintergrund der Entwicklung des Bewusstseins durch verschiedene Bewusstseinsstadien sehr wohl in dem Bewusstsein lebe, dass die Mehrheit der Bevölkerung aufgrund des noch nicht so weit entwickelten Bewusstseins eben ein latentes Ressentiment gegenüber Ausländern, im Grunde gegenüber dem Fremden allgemein hat, Gespräche in aggressiverer Form führt und im Grunde eine gewisse Dummheit an den Tag legt.
Das ist eigentlich überhaupt nichts besonderes sondern in jeder Gesellschaft so. Das liegt eben daran, das jeder Mensch in seiner Entwicklung bei Null beginnt und sich durch die verschiedenen Bewusstseinsebenen hindurcharbeiten muss. Es kann aber sein und das ist halt bei vielen so, dass sie in der Entwicklung einfach stehen bleiben weil sie nicht mehr die Energie haben um weiter zu gehen. Das ist normal und nicht weiter verwerflich.
 
Nun findet man in der digitalen Welt in Form des sozialen Mediums Facebook eine Oberfläche, die eben genau nicht unterscheidet zwischen verschiedenen Bewusstseinsformen und deshalb hier, wie der Autor auch unbeabsichtigt aber richtig erwähnt, keine Zensur der journalistischen Qualität stattfindet. Jeder kann alles posten, was ihm einfällt.
Das, was nämlich einer qualitativ wertvollen journalistischen Arbeit zugrunde liegt, ist ein entwickelteres Bewusstsein, welches sich im Geiste der Aufklärung dazu verpflichtet, die veröffentlichten Nachrichten auf seinen Wahrheitsgehalt zu überprüfen, also schlicht und ergreifend Quellenüberprüfung und Nachweise. Die grundlegenden Methoden wissenschaftlichen Arbeitens. Wissenschaftliches Arbeiten setzt eine gewisse Bewusstseinsentwicklung voraus, die über das, was man Alltagsbewusstsein nennt, hinausgeht.
Und es ist völlig klar, dass es immer weniger Menschen geben wird, die sich einer wissenschaftlichen Arbeitsweise unterziehen als die, die es nicht tun, weil es eben eine Entwicklung des Bewußtseins voraussetzt, die nicht jeder bereit oder in der Lage ist, anzugehen.
 
Insofern werden die bereits schon vorhandenen Ressentiments, die es auch ohne Facebook schon gab, hier jetzt nur bestätigt aber auch, und da gebe ich dem Autor recht, auch verstärkt! Insofern ist es richtig, das Facebook hier dazu führt, das sich gerade solche primitiven Auseinandersetzungen wie sog. Shitstorms usw. dahingehend negativ auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt auswirken weil sie eben der Dummheit oder sagen wir besser primitiveren Ein-bzw. Ansichten mehr Raum gibt und sie zu einer Betrachtung der Wirklichkeit erhöht, die ihr eigentlich nicht zusteht.
 
Dieses Problem zu lösen, fordert auch Facebook heraus!

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