Mittwoch, 3. August 2016

Das Ende des Kapitalismus - ein Nachtrag

So, als neuer Post nun ein paar Sätze zu dem, was ich bereits in dem vorangegangenen Post schreiben wollte aber dann aufgrund des immer länger werdenden Posts dann doch auf einen neuen Post verschoben habe.
 
Es geht um einen Artikel aus "Die Zeit" vom 29.07.2016, in dem sich ein Philosoph namens Patrick Spät zum Phänomen Kapitalismus äußerte.
 
Schon die Headline des Artikels ruft zum Widerstand oder Protest auf ;-)
Es ist ein Zitat aus dem Interview, welches in Zusammenhang mit dem Kapitalismus als System geäußert wurde: "Das bedingungslose Grundeinkommen wird uns nicht retten."
 
Wie kommt der Autor zu so einer pessimistischen Einschätzung.
 
Nun, zuallererst muß man wohl feststellen, dass der Philosoph Patrick Spät eher in ein politisch linksorientiertes Profil passt. Aus den Aussagen des Interviews kann man das zumindest vermuten, jedenfalls sieht Spät optimistische Tendenzen im Arbeitskampf vor allen Dingen in der Stärke der Gewerkschaften. Das wirkt auf Digitale Natives wie mich dann doch etwas antiquiert links, ein klares Klassenkampfschema, dass es so gar nicht mehr gibt. Eine gute Zusammenfassung warum die Linke Bewegung derzeit selber mit sich zu kämpfen hat findet man in dem Artikel von Markus Liske
 
Man kann den Spruch "Das bedingungslose Grundeinkommen wird uns nicht retten" aber auch gar nicht so negativ sehen, wie man auf den ersten Blick assoziieren mag. In einem Vortrag von Enno Schmidt an der Uni Leipzig vor einigen Wochen machte Enno Schmidt deutlich, dass das BGE nur die Basis darstellen kann, nicht die Lösung an sich, aber das Fundament, auf dem eine Lösung erst möglich werden kann. Insofern kommt es darauf an, was man genau unter einem Grundeinkommen versteht.
 
Kommen wir also nun zu den Details, was mich an Späts Analyse stört:
 
Das erste was ich kritisieren würde, ist die einseitig negative Betrachtung des Kapitalismus. Kapitalismus basiert auf Ausbeutung, das kann man so sehen, aber der Kapitalismus ist eben nicht nur ein Wirtschaftssystem sondern auch ein kulturelles System und damit hat der Kapitalismus sehr viel bewirkt: Demokratie, Frauenwahlrecht, Verbesserung der Gesundheit etc. So allein negativ war das nicht. Obwohl ich Spät nicht ganz widersprechen möchte, dass der Kapitalismus besonders in den Nachkriegsjahren eine positive Auswirkung auf die Lebensverhältnisse hatte. Hier zeigte sich seine Stärke besonders würde ich formulieren. Aber es ist wie auch Spät ja im Grunde richtig erkennt, dass jedes System einen inneren Widerspruch in sich trägt, den es selber nicht lösen kann und deshalb zwangsläufig von einem neuen System abgelöst wird. Im Grunde sieht das auch Spät so, dann kann er allerdings schon allein aus diesem Grunde nicht behaupten, dass selbst die Digitalisierung dem Kapitalismus nichts anhaben könne.
 
Hier irrt Spät definitiv! Es passt aber in das Bild, was man von Spät bei der Analyse seiner Aussagen gewinnen kann. Wie schon oben erwähnt, ist Spät noch in alten Denkstrukturen der Linken mit Klassenkämpfen und Streiks und Gewerkschaften verwoben. Das wird zwar auch in Zukunft nicht ganz verschwinden aber die Art und Weise wie sich diese Kämpfe im realen äußern werden wird ganz maßgeblich von der Digitalisierung mit entschieden.
 
In dem Buch von Michael Seemann, welches ich im letzten Post etwas ausführlicher besprach, formuliert Seemann z.B. den Satz:
"Durch Wikileaks erlebten wir 2010, dass ein einzelner Whistleblower
einer Supermacht wie der USA vor aller Welt die Hosen ausziehen
kann." (S. 16, QTRL-Verlust, Seemann)
Es geht hier natürlich um Edward Snowden und seine Veröffentlichung von Daten aus den amerikanischen Geheimdienstakten.
Worauf es Seemann ankam, war zu zeigen, wie mächtig einzelne Personen werden können im Vergleich zu bisher als machtvoll akzeptierten Institutionen wie dem Staat. Voraussetzung dafür aber war die Digitalisierung der Welt. Nur durch diese Datenanhäufung durch immer geringer werdende Kosten war es möglich dieses neue Kapitel "David gegen Goliath" aufzumachen.

Wenn ich dann im Gegenzug bei Spät lese:


"Kein einziger Konsument, kein einzelner Bürger kann das System verändern. " 
dann steht das im krassen Gegensatz zu dem, was man bei Seemann lesen kann. Und ich finde, Späts Analyse ist hier einfach falsch. Weil er die Digitalisierung als neue Welt mit neuen Regeln und Gesetzen nicht erkannt hat.
Und das, obwohl er sogar selber von der Digitalisierung spricht.
Aber der Zusammenhang ist für ihn nicht klar.
Das Grundeinkommen ist nicht eine Idee um die Digitalisierung zu beenden oder irgendwie abzuschwächen sondern das Grundeinkommen ist wie Daniel Häni, einer der Gründer der Schweizer Grundeinkommensinitiative bei der letzten Langen Nacht des Grundeinkommens vom 02. Mai sagte: "Der Sozialstaat war die Antwort auf die Industrialisierung - das BGE die Antwort auf die Digitalisierung" Es sind zwei Seiten einer Medaille die hier miteinander koevolvieren, wie ich das so gern ausdrücke.
 
Auch in Bezug auf das Wissen irrt sich Spät meiner Meinung nach gewaltig. Er sagt auf die Frage, warum eine Revolution gegen den Kapitalismus ausbleibe:
 
"Weil es in den westlichen Sozialstaaten noch zu viele Menschen gibt, die der Marktlogik und deren angeblicher Alternativlosigkeit huldigen. Das hat unter anderem auch mit Wissen zu tun. Viele Missstände sind unbekannt, und die Geschichte des Kapitalismus ebenfalls."

Den ersten Teil würde ich ja noch mit unterschreiben, das hat in der Tat etwas damit zu tun, dass man so lange man im System ist, es schwer hat, eine Außenperspektive einzunehmen, von der man aus, das System aus einer Entfernung betrachten kann. Aber dass es nicht mittlerweile soviel Wissen gibt, das anzeigt, das hier völlig neue Strukturen nötig und möglich sind, dass glaube ich nicht. Und die Menschen erfahren es aufgrund der einfachen Informationsbeschaffung durch die Digitalisierung tagtäglich. Wenn man sich überlegt, was alles bereits durch die Digitalisierung ans Tageslicht kam und wieviele Menschen darüber gestolpert sind, ich erinnere nur an Guttenberg und die Doktorarbeit.

 
Und so hat man bei dem Interview mit Spät ja auch das Gefühl, dass es in sich nicht stimmig ist, weil einerseits Spät einen deprimierenden, weil aussichtslosen Kampf gegen den Kapitalismus suggeriert und andererseits trotzdem glaubt, dass der Kapitalismus sich selbst erledigen wird mit Rückgriff auf den Kampf der Gewerkschaften UND auch mit Rückblick auf die Digitalisierung. Das passt nicht zusammen und es ist Späts Beschränkung in der Erfassung dessen, was den Kapitalismus ausmacht und was die Digitalisierung mit dem Kapitalismus macht.
 
Auch seine Äußerungen zu den Besitzverhältnissen zeigen, dass er vielleicht doch mal das Buch von Michael Seemann lesen sollte. Der Modi des Eigentums wird sich ändern durch die Digitalisierung. Deshalb greift das Argument von Spät nicht, dass sich durch ein BGE die Besitzverhältnisse nicht ändern würden. Das BGE ist nicht das Instrument welches die Besitzverhältnisse ändern soll, sondern es ist die Digitalisierung, der digitale Weltenraum.
Und hier ist es eben besonders schade, wenn Philosophen solche Zusammenhänge aufmachen, die in sich nicht stimmig sind, denn nicht jeder der Menschen hat ein so reflektiertes Verständnis von all den Vorgängen in der heutigen Zeit. Schnell resigniert man in dem Wirrwarr an Meinungen, die es gibt und die gerade durch die Digitalisierung so direkt ins Bewußtsein eines jeden landen können. Dann landet man bei denen, die einfache Antworten geben weil man die versteht.
 
In einem Punkt gebe ich Spät allerdings Recht, das war auch eine starke Formulierung, nämlich als er meinte, Arbeit sei so etwas wie Religionsersatz! Genauer müsste man sagen, es handelt sich um "Erwerbsarbeit" - aber der Zusammenhang mit Religion ist durchaus ein treffender Gedanke. Durch die Entkoppelung der im Hirn von vielen so verankerten Denkstruktur von Erwerbsarbeit und Einkommen will aber nun gerade das BGE einen fortschrittlichen Ansatz in die Diskussion bringen. Deshalb ist es gerade geeignet, den Kapitalismus als System zu beenden oder wie ich lieber formulieren möchte, zu transformieren.
 
Damit möchte ich es an dieser Stelle bewenden lassen.
 
 
 

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