Samstag, 31. Dezember 2016

Grundeinkommen, Automatisierung und das Märchen vom Roboter-Schlaraffenland - eine Kritik

Neulich erschien folgender Beitrag von Eric Manneschmidt auf der Webseite des Netzwerks Grundeinkommen:
 
 
In dem Beitrag ging es um die Verflechtung der Begriffe Grundeinkommen und Automatisierung in der Argumentation von BGE-Befürwortern in dem Sinne, dass diese Argumentation häufig nach dem Muster ablaufe, dass durch die Automatisierung viele Arbeitsplätze wegfallen und es deshalb als Kompensation so etwas wie ein Bedingungsloses Grundeinkommen geben müsse. Diese Argumentation möchte der Autor Manneschmidt so nicht gelten lassen und kritisierte diese Argumentation mit der Kernaussage:
 
"Das ist das Ziel des BGE und zwar eines, das nicht von technologischer Entwicklung oder der Verfügbarkeit bestimmter Rohstoffe oder Technologien abhängig ist oder sein darf. Dieses Ziel – und nicht der Verweis auf eine ohnehin nur in beschränktem Maße mögliche (und vielleicht auch nicht immer wünschenswerte) Automatisierung – ist das grundlegende Argument für ein BGE."


Das zentrale Ziel des BGE ist für den Autor "Menschen die psychisch und physisch existenziellen künstlerischen, gesellschaftlichen und sorgenden Arbeiten ohne existenzbedrohende Selbstaufopferung zu ermöglichen" und diese Forderung des BGE sei unabhängig von technologischer Entwicklung.
Was zunächst einleuchtend klingen mag ist auf den zweiten Blick selber wieder zu kritisieren, was interessanterweise der Autor selber tut aber erst in der 13. und letzten Fußnote und lediglich als Ausnahme gekennzeichnet. In Wirklichkeit ist aber diese Fußnote eminent wichtig und keineswegs als Ausnahme zu betrachten sondern ein zentraler Bestandteil bei der Betrachtung des BGE, nämlich dass auch ein BGE im historischen Kontext einer technologischen Entwicklung steht und nicht unabhängig davon ist.

Hierzu ein paar Bemerkungen:
 
Wie in der Fußnote seines Artikels schon bemerkbar, hat der Autor selber zumindest punktuell erkannt, dass sowohl Geldsystem als auch Willensbildung damit einhergehen könnten, dass es globale Ausmaße benötige, die wiederum nur durch die technischen Voraussetzungen der Digitalisierung geschaffen werden können um ein BGE wirklich zu gestalten.
 
Das fängt schon ganz praktisch damit an, dass es für die Umsetzung eines BGE weiterhin elektronische Konten geben muß. Elektronische Konten, die nur mit entsprechend vernetzten Computern sinnvoll zusammen agieren können.
Damit ist sein theoretisches Beispiel einer Agrargesellschaft in der es ein Grundeinkommen geben könnte schon mal reine Gedankenakrobatik aber in der Wirklichkeit nie vorgekommen. Gern lasse ich mich eines besseren belehren aber ich glaube nicht daran und wenn doch, dann wird dies unter dem Motto "Ausnahmen bestätigen die Regel" laufen. Geschichtlich gesehen ist jedenfalls keine Gesellschaftsform bekannt, in der in großem Maßstab ein Grundeinkommen gezahlt worden wäre. Es wäre ja ohnehin erst dann möglich, wenn Geld als Tauschform entwickelt worden ist. In einfachen Jäger- und Sammlergesellschaften gab es Geld noch gar nicht deshalb fallen diese schon mal raus.
Vielleicht fällt einem das Beispiel Ojivero in Namibia ein. Dort wurden in einem Experiment 1000 Dorfbewohnern ein Grundeinkommen ausgezahlt mit positiven Effekten. Nur wurde das Geld allen persönlich gegeben, was bei 1000 Einwohnern schon einen gewissen Aufwand bedarf. Es leuchtet jedem ein wenn es um größere Städte gehen würde wie Berlin wäre es überhaupt nicht möglich alle Menschen persönlich mit dem Geld auszustatten. All dies geht nur elektronisch und deshalb ist die Technologie eine ganz entscheidende Komponente auch und gerade wenn es um die Verteilung von Geld an die Bürger geht.
 
Ein anderer Aspekt, der sich ein Stück weit mit dem Punkt "Willensbildung", den der Autor in seiner Fußnote 13 anführt, überschneidet, ist der Aspekt der Globalisierung.
Diesmal aber aus folgender Perspektive betrachtet: Die größte Angst des Menschen besteht vor dem Fremden. Alles was nicht zu ihm gehört ist fremd und erzeugt zunächst erst einmal Angst. Durch die Globalisierung aber rückt die Menschheit immer mehr zusammen. Es ist wichtig zu erkennen, dass wir historisch gesehen in einem einmaligen Zustand leben, sämtliche Kulturen und Gesellschaftsformen der gesamten Welt zu studieren und kennenzulernen. Das gab es vorher noch nie. Erst durch die Industrialisierung, Technisierung und besonders die Digitalisierung ist es möglich so viele Daten und Modelle auszutauschen, dass wir uns erstmals ein umfassendes Bild über uns und unsere Mitmenschen machen können und das wir auch tatsächlich in persönlichen Austausch beispielsweise durch Reisen treten. Was zur Folge hat, dass die Angst des Menschen vor dem Fremden abnehmen kann. Und das wiederum ist ein elementarer Schritt hin zu einem Vertrauen, dass eine Idee wie die des BGE erst ermöglicht. Denn das BGE stellt einen Vertrauensvorschuss in unsere Mitmenschen dar, der sagt, ich gebe Dir, damit Du leben kannst, das einzige, was Du tun mußt, ist, diesen Vertrauensvorschuss nicht zu missbrauchen in dem Sinne, dass Du egoistisch damit umgehst und nicht zum Wohle der Gemeinschaft handelst. (Wobei das Wohl der Gemeinschaft natürlich noch genauer zu definieren wäre). Mit anderen Worten, das Grundeinkommen steht in einem historischen Prozess nicht zusammenhanglos da sondern seine Blüte ist genau dann gekommen wenn das Vertrauen der Menschen ineinander so groß ist, dass sie sich trauen,  zu geben auch wenn es den persönlichen, familiären oder ethnischen Rahmen der eigenen Zugehörigkeit sprengt.
Dies ist erst in einer globalisierten Welt vollständig möglich so wie sie jetzt bedingt auch durch die Digitalisierung, die einstige Grenzen völlig durchlässig macht, entsteht.
Die Ängste vor dem Fremden sind derzeit deutlich in der Flüchtlingskrise erkennbar. Auch ein Aspekt der Globalisierung.
 
Ich stimme mit dem Autor vollends überein, dass Technik allein weder gut noch schlecht ist oder andersherum beides beinhalten kann und dass es entscheidend ist, was wir mit dieser Technik machen.
 
Wenn wir aber das BGE im Zusammenhang mit Automatisierung und Digitalisierung betrachten wollen dann ist es wichtig, beide Themen nicht irgendwie kausal verknüpfen zu wollen sondern sie als parallel zueinander sich entwickelnde Formen zu verstehen. D.h. Automatisierung und Digitalisierung müssen nicht zwangsläufig zum BGE führen, das ist richtig wie Manneschmidt in seinem Artikel betont, aber es wäre auch falsch zu glauben, dass Automatisierung und Digitalisierung kausal dem BGE vorangehen würden. Es ist eher so, dass Automatisierung und Digitalisierung die Produktionsformen einer Gesellschaft sind und das BGE ein Teil einer Art Vergesellschaftungssform ist. Vergesellschaftsungsform und Produktionsform bedingen sich gegenseitig und können nicht aufeinander reduziert werden. Sie wachsen und befruchten sich gegenseitig.
So kann man ein BGE also nicht auf Automatisierung gründen sondern das BGE erfüllt den gesellschaftlichen Part, der mit der Produktionsform einhergeht wie andersherum die Digitalisierung
den produktiven Part erfüllt der mit dem gesellschaftlichen Part des BGE einhergeht.
Der Autor Manneschmidt möchte zwar auch keine kausale Verknüpfung herstellen, zieht aber daraus den falschen Schluß, dass ein BGE völlig unabhängig von jeglicher technologischer Entwicklung zu betrachten wäre und das ist falsch. Damit macht er die Idee des BGE ahistorisch, reißt sie aus jedem Zusammenhang und das kann definitiv nicht sinnvoll sein.
 
So vergisst der Autor, dass auch Technologien das Ergebnis bestimmter kognitiver Leistungen der Menschen sind und in einer demokratischen Gesellschaftsform die Kreativität des eigenen Geistes viel stärker gefördert wird als in einer autokratischen wo vieles vom Staat vorgeschrieben wird. Gesellschaftsform und Produktionsform bedingen sich also gegenseitig.
 
Ein nicht ganz zentraler Kritikpunkt aber mir dennoch wichtiger ist die Argumentation bezüglich der Formen von Arbeit. Es gibt da im Moment wohl keinen einheitlichen Konsens über die Formen der Arbeit aber angeregt von dem Modell der katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB) ist eine Einteilung der Arbeit in folgende drei Bereiche meiner Ansicht nach sinnvoll und sollte gültig sein für sämtliche Argumentationen wenn es um den Bereich Arbeit geht:
 
 
Dann wird deutlich, dass eher unklare Begrifflichkeiten wie sie Manneschmidt mit den Bezeichnungen "unbezahlte und unsichtbare Arbeit" als auch "Sorge- und Demokratiearbeit" verwendet besser eingeordnet werden können. Und dass seine Kritik, dass diese Arbeiten zu kurz kommen, bedeutet, dass sie im Ungleichgewicht sind. Es heißt nicht, dass Erwerbsarbeit völlig verschwindet, das behauptet kein BGE-Befürworter, der die Automatisierung und den Wegfall von Arbeitsplätzen thematisiert. Es bedeutet lediglich, dass die einseitige Fokussierung auf Erwerbsarbeit und die Ausblendung der anderen zwei Teilbereiche, die ich hier Eigenarbeit und Kulturarbeit nenne, aufgehoben wird.
Ein BGE ist genau dazu da, nämlich die Überbetonung auf den Bereich Erwerbsarbeit zurückzunehmen, indem dort zunehmend Arbeiten von Maschinen erledigt werden, wenngleich dieser Bereich nicht gänzlich von menschlicher Tätigkeit entkoppelt wird und gleichzeitig die Bedeutung von Kultur- und Eigenarbeit aus ihrem Nischendasein hervorzuholen und damit den Dreiklang dieser Arbeitsfelder neu zu organisieren.
 
Zusammenfassend und auf den Hauptkritikpunkt meinerseits, die Geschichtslosigkeit des BGE, die Manneschmidt durch seine Kritik produziert, möchte ich es noch einmal mit den Worten von Daniel Häni auf den Punkt bringen, als dieser zur langen Nacht des Grundeinkommens im Mai 2016 sagte: "Der Sozialstaat war die Antwort auf die Industrialisierung - das BGE die Antwort auf die Digitalisierung"
 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen