Sonntag, 21. Februar 2016

Die Putin-Versteher

Wir leben in unruhigen Zeiten. Wer hätte das gedacht, nach den Wende-Wirren in den 90-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts als es wirklich mal chaotisch war, sah es so aus als würde danach eine Zeit der Glückseligkeit anbrechen, zumindest für die Deutschen, die nach über 40 Jahren Trennung nun wieder ein einig Volk waren.
 
Sieht man sich aber die derzeitige Situation in Deutschland an, dann kann man den Eindruck gewinnen, das ein Riss durch die Gesellschaft geht. Ein Riss, der aus dem Einig-Vaterland eine zunehmende Polarisierung in die Guten und die Bösen, in die Gewinner und Verlierer, in die Rechten und Linken, in die Einheimischen und die Ausländer macht. Man kann sicher noch andere Kategorien bei näherem Betrachten finden.
 
Wirklich betroffen macht es einen, wenn der Riss auch durch den eigenen Freundes- und Verwandtenkreis geht.
Natürlich gab es auch früher Meinungsverschiedenheiten aber man konnte entweder damit leben oder man konnte sich auf etwas einigen, manchmal fand man Lösungen, die für alle akzeptabel waren. Manchmal dauerte es auch, bis man sich fand. Auf jeden Fall sah man es nicht als so problematisch an.
 
Mit heute ist dies kaum zu vergleichen. Es ist in der Tat ein Klima der gegenseitigen Schuldzuweisungen entstanden, der einen wirklich Sorgen bereiten kann.
 
Wie kann das sein?
Nun, es scheint und dieser Eindruck verstärkt sich mit zunehmender Dauer, dass die gesellschaftliche Lage allerorts angespannt ist. In Deutschland natürlich durch die Flüchtlinge, die auf der anderen Seite auch die Rechten und alle, die übermäßig Angst vor dem Fremden haben, mobilisiert.
In anderen Ländern Europas sind ähnliche Tendenzen zu beobachten.
 
Was geht hier vor?
Im Moment nehme ich eine zunehmende gesellschaftskritische Haltung von jungen Leuten war, die zwar nicht dem rechten Rand zugeordnet werden wollen, die aber mit ihrem Handeln am Ende genau diesen rechten Rand hoffähig machen. Sie tun das nicht aus Absicht sondern aus Naivität oder weil sie nicht wissen welche Geister sie herbeirufen.
 
Kritik an Medien, Regierung, EU und allgemein Politik wird schnell zu einem Rundumschlag gegen alles Westliche! (Was schon kurios genug ist: Leute, kritisieren ihre eigene Regierung und sprechen ihnen jegliche moralische Integrität ab. Natürlich kann man dies tun - aber wie ich gleich zeigen möchte, wird dies so extrem verbogen, das man die konstruierte Gegenseite im Sonnenlicht sieht oder sehen will, auf der alles friedlich und harmonisch zugeht - was ich damit meine wird gleich klarer).
 
Zunächst kann man es ja positiv sehen wenn sich möglichst viele Menschen an den politischen Entscheidungsprozessen beteiligen. Nur ist im Moment kein positiver Trend zu erkennen sondern lediglich ein Beharren auf den jeweiligen Positionen. Und leider, das passiert sehr häufig, tendieren Menschen von einem Extrem in das Andere. Kritisiert man also die hiesige Presse, wird die Presse andernorts als objektiv und wahrheitsliebend empfunden. Ein eindrucksvolles Beispiel ist der Sender RT (ursprünglich Russia Today).
Erst neulich bin ich darauf aufmerksam geworden weil wieder jemand aus dem Bekanntenkreis darüber etwas auf FB postete und große Zustimmung signalisierte. Doch was ist RT eigentlich. Lt. Wikipedia, und ich glaube, diese Quelle sollten wir mal als seriös nehmen, ist RT ein Fernsehsender, der von Russland staatlicherseits gefördert und bezahlt wird. Was sieht man dort für Nachrichten? Es ist nicht schwer zu erkennen, dass hier Nachrichten gesendet werden, die ein Gegengewicht zu westlichen Medien darstellen sollen. Soweit so gut. Aber wenn daraus völlig gegensätzliche Bilder produziert werden, sollte man skeptisch werden.
Nun kann man auch auf Wikipedia nachlesen, dass bei dem so offenen Sender Gesprächspartner wie Beatrix von Storch oder Udo Ulfkotte eingeladen waren. Da sollten einem gebildeten Bürger doch die Alarmglocken schrillen.
Es ist also sehr fatal, dass junge Leute diesen Medien mehr Glauben schenken, als den Einheimischen.
RT hat auch einen Youtube-Kanal und die Auswahl an Filmen ist immens. Ich kann hier nicht alle einzeln auseinandernehmen, aber mal exemplarisch einen hab ich mir rausgefischt, weil ich schon durch den Titel des Films stutzig wurde: "Fakten gegen Plattitüden - Sanders: 'Russland keine Gefahr' "
Nur ein kurzer Film, den kann man sich anschauen. Aber was stimmt hier nicht!? Nun, der Titel stimmt nicht mit dem überein was Sanders gesagt hat. Er hat nicht gesagt, dass Russland keine Gefahr wäre, sondern das er sehr besorgt sei, weil es isolierte Staaten wie z.B. Russland gebe. Das ist aber nicht dasselbe!
Warum sagt man also, Sanders würde behaupten, Russland sei keine Gefahr? Es liegt mehr oder weniger auf der Hand, dieser Nachrichtensender will eine Meinung transportieren, die Russland gut aussehen lässt und den Westen diskreditiert.
 
Und diese Art von Stimmungsmache kann man mittlerweile an vielen Orten erleben.
Gerade erst wieder neulich in der Talk-Show von Anne Will aufgekreuzt: Gabriele Krone-Schmalz, die Russenversteherin. Da mußte ich auf FB einen Kommentar lesen, wie toll diese Frau doch sei. Als ich dann intervenierte und es gar nicht so toll fand, dauerte es auch nicht lange und mein lieber Zeitgenosse verschloss sich und beendete die Diskussion. Ganz so wie Frau Krone-Schmalz, die dermaßen unwirsch die Gesprächsrunden beeinflusste, das man sich fragen muß, ob das noch zur demokratischen Willensbildung dazugehört. Menschen, die gegen Krone-Schmalz argumentieren werden dann angepöbelt oder anderweitig plattgemacht. Ich halte es da eher wie Werner Schulze, der in einer anderen Talk-Show vor einem Jahr, als es um die Ukraine-Krise ging, mächtig dagegen hielt und sein Credo ist auch meins: "Krone-Schmalz ist für Putin eine nützliche Idiotin" Zugeben auch nicht grad die Gentleman-Art - aber es trifft den Punkt.
 
Man kann dieses Ausscheren in die extrem andere Richtung, wenn der Westen schon nichts mehr zu sagen hat, dann müssen es ja die Russen oder wer auch immer als Opfer wahrgenommen wird, sein, die objektiv sind auch bei anderen Leuten sehen.
Ich sehe das bei Todenhöfer, der immer wieder gern auch von Jugendlichen zitiert wird, ich sehe das auch bei Ken Jebsen und anderen.

Oder ein anderes Beispiel: CompactTV

Das Sprachrohr, Stephanie Schulz zu erleben auf einem der Videos: Stephanie Schulz über Gesinnungsdiktatur

Auch wieder die Spaltung in die Guten und die Bösen. Die Guten, das sind Anonymus, die Bösen u.a. Facebook oder die Akteure, die zur Sperrung von Anonymus auf FB beigetragen haben. (Sofern das stimmt, ich hab das nicht weiter recherchiert.) Und natürlich sagen Anonymus NUR die Wahrheit, alle anderen erzählen Lügen. Auch wieder Kritik an den Mächtigen. Nur wird gleich so überzogen argumentiert, dass z.B. die Politiker angeblich ganz bewußt die Bevölkerung überwachen und einschüchtern sollen. Auch wieder viel zu extrem. Durchaus berechtigte Kritik wird überspitzt und endet in völlig abstrusen Behauptungen. Interessant hier, dass die Moderatorin offenbar mit Pegida u.ä. Ablegern sympathisiert. In der inhaltlichen Argumentation aber gar nicht so weit entfernt ist von denen, die mit Pegida & Co nichts anfangen können, die eher für Russland sind. Aber das beide im Grunde ganz ähnlich argumentativ auftreten, scheint nicht bewußt zu sein.

Es ist immer das Gleiche, die Kritik an den eigenen Medien, Politikern und sonstigen Machtpfeilern der Republik artet immer gleich in ein völliges Überschwenken in die entgegengesetzte Position aus. Die, die also nach Meinung der Opponenten mundtot gemacht werden sollen, sei es nun die eigene Bevölkerung, opportunistische Bewegungen wie Anonymus oder Occupy oder Russen oder die Flüchtlinge sind die Opfer und weil es Opfer sind, sagen diese Menschen grundsätzlich die Wahrheit. Krass! So simpel ist derzeit der Geist innerhalb deutscher Gesellschaftsschichten. Besonders aber in den Kreisen jüngerer Leute. Was bis zu einem gewissen Grad normal und verständlich ist. Wer die eigene Jugend erlebt hat, weiß, dass man hier geradezu zwangsläufig gegen alles mögliche rebelliert. Es ist im Grunde der Abnabelungsprozess von den Eltern, der hier auf alle möglichen gesellschaftlichen und politischen Felder übertragen wird. Das man hier leicht ins Extreme verfällt ist nichts neues. Man kann es bei vielen Politiker-Karrieren sehen. Beispielhaft vielleicht Joschka Fischer. Wie er sich als Jugendlicher benahm ist mit der Person, die man heute wahrnimmt kaum noch wiederzuerkennen. Nicht weil er alles verleugnet hat sondern weil er sich weiterentwickelt hat. Was nicht automatisch heißen soll, das das was Joschka Fischer heute sagt alles gut und richtig ist. Aber die Methoden seine Meinung zu äußern sind gepflegter und nicht mehr so extrem.

Was aber problematisch bei der heutigen rebellischen Jugend ist, ist, das die Gesellschaft als Ganzes mit großen Umwälzungen beschäftigt ist: Wachstumskrise, Eurokrise, Flüchtlingskrise, Islamkrise. Demgegenüber stehen Neuerungen wie Industrie 4.0, Natur und Umwelt (Solartechnik), Digitale Revolution, Bedingungsloses Grundeinkommen. Alles Themen, die zunächst massive Verwerfungen althergebrachter Strukturen hervorrufen.
Fällt also der jugendlich-rebellische Drang zur Veränderung auf solch eine instabile gesellschaftliche Lage ist dem Chaos Tür und Tor geöffnet. Dann gilt Meinung gegen Meinung und ein Klima des Hasses und der Gewalt kann am Ende Zustände hervorrufen, die wir uns alle nicht für möglich erdacht hätten.

Deshalb braucht es einen Plan, wie man durch die krisenhaften Zeiten kommt und was als Ziel für eine gesellschaftliche Ordnung stehen soll.

Diesen Plan vermisse ich aber bei allen diesen Kritikern meist. Die einen wollen zurück in alte Strukturen, die anderen wollen einfach nur protestieren, wissen aber nicht was passieren soll, wenn der Protest erfolgreich ist.

Es braucht also wieder mal einen Führer! Hört sich plump an, ist möglicherweise auch nicht der Weisheit letzter Schluß, aber eins ist Fakt: Wenn man diesem Opfertum weiter Raum gibt, dann werden sich Personen melden, die keiner wirklich auf der politischen Bühne haben will.
Das gilt besonders für die Putin-Versteher, wie Krone-Schmalz.
Weil die Demokratie bisher auf der Suche nach einem gesellschaftlichen Konsens keinen ausschließen will ist sie ständig der Gefahr ausgesetzt, von radikalen Meinungen durchdrungen zu werden. Solange die Demokratie eine halbwegs ausgeglichene gesellschaftliche Struktur schaffen kann, sind diese radikalen Meinungen nicht gefährlich, sie gehen unter. In diesen unseren Zeiten aber, in der die Demokratie selber neue Wege gehen muß werden radikale Meinungen hoffähig, sobald es keine starke Führung gibt.
Ich muß allerdings sagen, radikal heißt nicht zwangsläufig demokratiefeindlich. Radikal kann auch bedeuten, dass man Demokratie transformieren will. Und das zu unterscheiden ist eine große Kunst! Das geht nur mit integralem Wissen.

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